Ein Schriftzug mit dem Wort "Nächstenliebe" auf Deutsch und auf Farsi, der afghanischen Amtssprache, prangt am Fenster. Es ist eines von vielen in Caritas-Einrichtungen in Niedersachsen. Gedacht als symbolische Geste, initiiert von Mitarbeiter:innen der Caritas-Migrationsberatungen. Sie sind in den letzten Tagen in ungezählten persönlichen Gesprächen mit der Verzweiflung von in Deutschland lebenden Afghan:innen konfrontiert, die um das Leben ihrer Angehörigen Land fürchten. In Afghanistan haben die Taliban seit Mitte August die Macht übernommen. Immer noch harren Menschen dort in Verstecken aus, in der Hoffnung evakuiert zu werden. Darunter sind Aktivist:innen für Frauen oder Menschenrechte, Mitarbeitende von Hilfsorganisationen, Ortskräfte der Bundeswehr und deutsche Staatsangehörige.
"Und wir können nichts für sie tun", sagt Thomas Uhlen, Landessekretär der Caritas in Niedersachsen. "Diese Ohnmacht ist kaum auszuhalten. Im Moment müssen die Beraterinnen und Berater die Menschen an das Auswärtige Amt verweisen, das sich um weitere Evakuierungen bemühen will." Aber sie können in ihrer Funktion als Gesprächspartner:innen immerhin den psychischen Druck mildern.
Um zu zeigen, dass sie die von den Taliban bedrohten Menschen keinesfalls aufgeben, haben sich die Caritasverbände in Hildesheim, Osnabrück und Oldenburg zu der Aktion mit den "Nächstenliebe"- Schildern auf Farsi entschlossen. Die Schilder tragen eine deutsche Übersetzung: "Nächstenliebe: Solidarität mit den Menschen in Afghanistan" und einen QR-Code und eine URL, die auf eine Internet-Seite www.caritas-nds.de/afghanistan führt, auf der die Hintergründe der Aktion erläutert werden. Außerdem bittet die Caritas darum am Freitag um 12 Uhr für fünf Minuten innezuhalten, Zeit für gemeinsame Fürbitten oder Gebete zu suchen.
Die Schilder-Aktion lädt zum Mitmachen ein. Wer seine Unterstützung für die Menschen in Afghanistan ebenfalls symbolisch zum Ausdruck bringen will, kann das Schild in DinA4 ausdrucken und damit ein Handyfoto machen (Selfie) und dann das Schild an ein Fenster hängen. Die Vorlage für das Schild kann man sich unter www.caritas-nds.de/afghanistan ausdrucken und die Fotos dort auch hochladen.
Die Aktion läuft bis zum 15. September.
Die politischen Forderungen der Caritas richten sich an die niedersächsische Landesregierung und an die Bundesregierung. Sie sollten sich nicht nur für die weitere Evakuierung von Ortskräften und anderen bedrohten Menschen einsetzen. Wichtig wäre auch ein bedarfsgerechtes Landes-Aufnahmeprogramm für afghanische Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten, um deren Überforderung zu verhindern.
Zur aktuellen Situation (Stand Ende September): Das Auswärtige Amt bemüht sich weiter bedrohte Menschen, wie etwa Ortskräfte und deutsche Staatsangehörige, aus dem Land zu holen - auch über die Nachbarländer. Doch die Situation ändert sich ständig. Zur Fortsetzung der zwölf Caritas-Projekte in der sich verschlimmernden humanitären Situation in Afghanistan spricht Caritaspräsident Peter Neher davon, dass man auch Ortskräfte im Land belassen könnte, wenn die Taliban Sicherheitsgarantie abgäben sowie eine Garantie, dass Frauen gleichberechtigt arbeiten könnten.