Berlin, 07. Juni 2023. Anlässlich des Treffens des Rats für Justiz und Inneres der
Europäischen Union am 08./09. Juni fordert die BAGFW die Bundesregierung auf,
sich in den Verhandlungen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem für den
Erhalt und die Stärkung des individuellen Rechts auf Asyl einzusetzen und
insbesondere verpflichtenden Grenzverfahren und der Ausweitung sicherer Dritt- und
Herkunftsstaatenregelungen klar zu widersprechen.
Das bestehende Gemeinsame Europäische Asylsystem ist krisenanfällig und
geltendes Recht wird nicht in allen Mitgliedstaaten angewandt. Der Reformbedarf
dieses Systems ist offensichtlich, leider gehen die Reformvorschläge aus Sicht der
BAGFW aber in die falsche Richtung. Eine Zunahme an Menschenrechtsverletzungen,
wie Push-Backs, unzureichende materielle Asylprüfungen und
standardisierte Inhaftierung aller Schutzsuchenden, ist zu befürchten. Weiterhin
werden die Ersteinreisestaaten an den EU-Außengrenzen, wie Griechenland und
Italien, überproportional in die Verantwortung genommen.
Die Überlastung der Außengrenzstaaten soll nach den Vorschlägen der Kommission
durch die Ausweitung der Dritt- und Herkunftsstaatenregelung verhindert werden.
Das Konzept, die Verantwortung des Flüchtlingsschutzes von den
Außengrenzstaaten auf Drittstaaten zu übertragen, ist allerdings höchst gefährlich.
Die Wahrung des Non-Refoulement-Gebots wäre nicht sichergestellt. Rückführungen
in belastete Regionen könnten zudem zu einer Destabilisierung beitragen,
Rückübernahmeübereinkommen würden die EU oder Mitgliedstaaten in
Abhängigkeitsverhältnisse führen, die wie am Beispiel EU / Türkei nicht
funktionieren.
Die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner und die Idee, die
Verantwortung für Flüchtlingsschutz an Drittstaaten auszulagern, kann somit
verheerende Folgen für die Wahrung und den Stellenwert von Menschenrechten in
der Europäischen Union haben. Statt einer echten Weiterentwicklung hin zu einem
funktionierenden europäischen Asylsystem, stehen ursprüngliche Ziele des
gemeinsamen europäischen Asylsystems wie das Beschleunigungsgebot und faire
Asylverfahren zur Disposition.
Die BAGFW appelliert an die Bundesregierung, auf den Erfahrungen der
solidarischen Aufnahme der Schutzsuchenden aus der Ukraine aufzubauen, die zu
keinen Verwerfungen innerhalb der EU geführt haben. Denn "eine geordnete
Flüchtlingspolitik lässt sich auch erreichen, wenn Schutzsuchende solidarisch von
allen europäischen Ländern aufgenommen werden und Zugang zu fairen
Asylverfahren und Aufnahmebedingungen erhalten. Daher muss sich die
Bundesregierung dafür einsetzen, dass der Flüchtlingsschutz in ganz Europa wieder
Anwendung findet", mahnt Michael Groß, Präsident der
Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW).
Zum Weiterlesen:
1. Erwartungen der freien Wohlfahrtspflege an das Gemeinsame Europa
2. Gemeinsames Statement von über 60 Organisationen
Kontakt: BAGFW, Britt Kutscha, Tel.: 030 24089-118, presse@bag-wohlfahrt.de
Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege