Seit Frühjahr 2022 spenden Menschen Geld, Kleidung und Lebensmittel, organisieren Begleitpersonen für Behördengänge, Übersetzungen und Deutschunterricht. Als auch im Bistum Hildesheim immer mehr Ukrainer:innen strandeten, haben sich schnell Menschen zusammengeschlossen, um zu helfen. Hubert und Petra Ernst aus Hasede im Landkreis Hildesheim haben in ihrer Gemeinde ganz spontan ein großes Hilfs-Projekt ins Leben gerufen.
"Es war der erste Samstag im März”, erinnert sich Hubert Ernst, "da hat mich der Mann meiner Cousine angerufen. Er wollte mit einem Bus in die Ukraine fahren, Menschen hierherholen. Und er fragte, ob wir Platz hätten, welche aufzunehmen”. Das Paar überlegte schnell an diesem Samstag im März 2022 und kam schließlich auf das alte katholische Pfarrhaus in Hasede. Das stand zu dem Zeitpunkt bereits rund drei Jahre leer, wurde aber noch geheizt und bot mit drei Etagen, mehreren Bädern, einer Küche und einem großen Grundstück mehr Platz als genug. "Wir fackelten nicht lange und kontaktierten alle Verantwortlichen: den Ortsbürgermeister, den Kirchenvorstand und den zukünftigen Eigentümer des Pfarrhauses”, erinnert sich Hubert Ernst. "Und dann ging es ganz schnell. Samstagabend hatten wir das OK von allen. ‘Macht!’ war die Ansage”, so Hubert Ernst. Und das nahm das Ehepaar wörtlich.
Ukraine-Hilfe: organisiert und nachhaltig
Petra und Hubert Ernst stehen vor dem alten Pfarrhaus in Hasede, das sie in eine Flüchtlingsunterkunft verwandelt haben.Kimberly Fiebig
In den darauffolgenden Tagen klärten Hubert und Petra Ernst sämtliche Formalitäten mit dem Ortsrat, dem Kirchenvorstand und dem Runden Tisch Asyl Giesen ab und gründeten ein Organisations-Team. Das bestand aus dem Ehepaar Ernst, Ortsbürgermeister Frank Fischer, dessen Tochter Julia Fischer und dem Kirchenvorstand Martin Wehmann. In Absprache mit dem Team organisierte das Ehepaar dann eine WhatsApp-Gruppe unter dem Namen "Hasede hilft”. Und diese kam ihnen am darauffolgenden Wochenende direkt zugute: Mehr als 60 Leute kamen am Aktionstag "Saubere Landschaft” am Pfarrhaus zusammen, um den verwilderten Garten aufzuräumen. "Die Resonanz und Hilfsbereitschaft war wirklich der Wahnsinn”, sagt Petra Ernst, wenn sie an diesen Tag zurückdenkt. Und auch in den nächsten Tagen packten immer wieder Gemeindebewohner:innen an. Eine Auszubildende wurde von ihrem Malerbetrieb freigestellt und durfte im Pfarrhaus malern, Elektriker:innen überprüften und reparierten die Leitungen, eine zweite Küche für das Erdgeschoss wurde zusammengezimmert und sehr spontan Glasfaser verlegt.
Aber damit war natürlich noch nicht alles getan. Mobiliar fehlte im Pfarrhaus. Also erstellte das Organisations-Team einen Flyer mit einem Code zum Einscannen, über den man zu einer Online-Liste gelangte. Dort konnte man dann die zu spendenden Möbel beschreiben und die Kontaktdaten hinterlegen. "Und dann machten wir uns mit drei oder vier Fahrzeugen auf den Weg und sammelten die Möbel ein”, erzählt Hubert Ernst. "Hätten wir gesagt, dass Spenden zu uns gebracht werden können, dann wären wir damit zugeschüttet worden”, erklärt Petra Ernst. So konnte das Paar gezielt Möbel aussuchen und es gab keine Dopplungen an Spenden - ein nachhaltiges Vorgehen.
Große Dankbarkeit seitens der Geflüchteten in Hasede
Schließlich war es so weit: Die ersten drei Frauen, davon eine Schwangere, mit insgesamt fünf Kindern zogen ins Pfarrhaus in Hasede und der Alltag mit den Geflüchteten begann. Das Ehepaar Ernst aktivierte eine Lehrerin aus der Gemeinde sowie mehrere Dolmetscher:innen, die den Erwachsenen Deutsch beibringen sollten. Die Kinder meldete das Organisations-Team in der Schule und bei Sportvereinen in Hasede an. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Ukrainer:innen seitdem immer wieder auch bei Alltagsproblemen an das Ehepaar wenden. Und das versucht die Geflüchteten bestmöglich zu integrieren. "Wir haben ein Osterfest im Garten des Pfarrhauses gefeiert im letzten Jahr, auch St. Martin und Nikolaus. Dann gab es zwei Volksläufe in der Ortschaft Hasede, bei denen die Frauen geholfen haben”, erzählt Petra Ernst. Und dafür sind die Flüchtlingsfamilien sehr dankbar. An Heiligabend klingelten sie mit einer selbstgebackenen Torte, einer selbstgeschriebenen Karte und einer kleinen Tanne bei Hubert und Petra Ernst. "Das war sehr rührend”, sagt Petra Ernst mit Tränen in den Augen.
Aktuell leben 19 Geflüchtete aus der Ukraine in dem Pfarrhaus. Bis Ende des Jahres können sie voraussichtlich noch dortbleiben. Bis heute sind rund 70 Menschen in der WhatsApp-Gruppe "Hasede hilft” aktiv, tauschen sich aus, bieten ihre Unterstützung an oder vermitteln Kontakte und Spenden - nicht nur an Geflüchtete. Rund 10.000 Euro Geldspenden konnten für die Ukraine-Hilfe in Hasede gesammelt werden. "Mit so viel haben wir nicht im Entferntesten gerechnet. Die Überraschung und Freude sind immer noch riesig”, sagt Hubert Ernst. Und für ihn und seine Frau steht fest, dass ihre spontane Idee, das Pfarrhaus in eine Notunterkunft umzuwandeln ohne die Unterstützung und die bestehende Struktur in der Gemeinde nicht umsetzbar gewesen wäre. "Wir waren niemals allein. Diese Gemeinde ist etwas Besonderes”, sagt Petra Ernst voller Dankbarkeit und Demut. Niemand weiß, wie lange der Krieg noch dauern wird. Doch solange es Ehrenamtliche wie die Ernsts und das Team um sie herum gibt, gibt es zumindest Silberstreifen der Nächstenliebe in finsteren Zeiten.
Weitere Informationen
Monika Haseler, Referentin für Jugendhilfe und Caritas4Ukraine beim DiCV Hildesheim, aktualisiert unter anderem die Kartei der kirchlichen Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete und aktiviert entsprechend Ehren- oder Hauptamtliche bei Unterstützungsbedarf. Bei Bedarf und Interesse ist sie unter 05121/938-201 oder per Mail an monika.haseler@caritas-dicvhildesheim.de zu erreichen.
Wer seine Zeit mit anderen teilen oder sie nutzen möchte, um Menschen zu helfen, kann das ehrenamtlich tun. Gegenwärtig werden in sieben Bistümern von 970 Organisationen insgesamt 2075 ehrenamtliche Projekte angeboten (Stand November 2021). Mit Hilfe des Online‑Ehrenamtsportals sind Ehrenamtsmöglichkeiten in der Nähe zu finden: www.caritas-ehrenamtsportal.de/
Aber auch Agnieszka Krawczyk-Balon, Referat Gemeindecaritas, und Martin Weimann, Referent für Ehrenamt in der Armutsprävention, helfen gerne weiter. Sie sind unter 05121/938‑145 und 05121/938-214 oder per Mail an agnieszka.krawczyk-balon@caritas-dicvhildesheim.de und martin.weimann@caritas‑dicvhildesheim.de erreichbar.