Bereits zum dritten Mal hat der Caritasverband für die Diözese Hildesheim
im Jahr 2011 den Elisabethpreis vergeben. Diesmal im Mittelpunkt: das noch
lange nicht selbstverständliche Miteinander von Menschen mit und ohne
Behinderung.
Der Schlüsselbegriff ist Inklusion. Aber was genau meint er?
Brigitte Pothmer, Bundestagsabgeordnete und Arbeitsmarktpolitische
Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion war Mitglied der Jury. Sie macht es an
einem Vergleich deutlich: „Als Vogel ist ein Pinguin gewissermaßen
schwerbehindert – er kann nicht fliegen, ist übergewichtig und watschelt. Im
Wasser aber entfaltet er seine unvergleichlichen Fähigkeiten.“ Da kann auch ein
Adler einpacken. Inklusion erfordere, die gesellschaftlichen Verhältnisse in
den Blick zu nehmen. Und Menschen mit Behinderung erst gar nicht auszugrenzen,
weder in der Schule noch in der Arbeitswelt.
„Beim Golfspielen haben alle ein Handicap“
Eine Sichtweise, der sich auch der niedersächsische Landesbeauftragte für
Menschen mit Behinderung, Karl Finke, anschließt – wie Pothmer Jurymitglied.
„Bei elf Sonderschultypen können wir noch lange nicht von Inklusion reden“,
meint Finke. Nach wie vor seien Behinderte in Deutschland die größte
diskriminierte Gruppe: „Es gibt noch viel zu tun.“
Dass
etwas für die Vision einer inklusiven Gesellschaft getan werden kann, zeigen
die Preisträger.
Zum Beispiel der
erste Preis
:
das Projekt „Crazy Golf“ der Harz-Weser-Werkstätten.
Der „verrückte Minigolfplatz“ mit Herausforderungen, die einzigartig sind,
ist komplett barrierefrei: egal ob groß, klein, laufend, rollend, sehend oder
blind – alle können mitspielen. Dafür wurden auch spezielle Schläger und
klingende Bälle entwickelt. „Beim Golfspielen haben wir alle ein Handicap“,
sagt Bernd Goltermann von den Harz-Weser-Werkstätten. Handicap, englisch für
Behinderung, bezeichnet auch die persönlichen Fähigkeiten beim Golfspiel.
Harz-Weser-Werkstätten gGmbH,
Rotemühlenweg 21, 37520 Osterrode am Harz
Zwei zweite
Plätze
wurden vergeben.
Zum einen für den „Spielraum für alle“: einen rollstuhlgerechten
Spielplatz, der auf eine Initiative des Sportvereins Blau-Weiß Buchholz
zurückgeht. Der Clou: Es können sich auch Rollstühle ausgeliehen werden – das
macht Behinderung erfahrbar.
Blau-Weiß Buchholz, Holzweg 6, 21244
Buchholz in der Nordheide
Zum anderen ging ein zweiter Preis an die Kindertagesstätte St. Bernward in
Salzgitter-Thiede. Die Kita betreut seit 2005 auch behinderte Kinder. Da lag es
nahe, mit Linda Koch eine behinderte junge Frau als Mitarbeiterin einzustellen.
In Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe wurde sie ein Jahr lang auf die Tätigkeit
als Kindergartenhelferin vorbereitet. Auch die Fachakademie für
Sozialmanagement war von diesem Konzept inklusiver Weiterbildung überzeugt und
hat dafür den Sonderpreis der Fachakademie für Sozialmanagement an die Kita St.
Bernward vergeben.
Katholischer Kindergarten St. Bernward, Pappeldamm 111, 38239 Salzgitter
Drei dritte
Plätze
wurden vergeben:
RESOHELP Hameln wurde ausgezeichnet für einen elfwöchigen Orientierungskurs
mit Häftlingen des Jugendgefängnisses – als Vorbereitung auf die Entlassung.
Motto: „ ...und morgen sind sie wieder unsere Nachbarn!“
RESOHELP Hameln, Ostertorwall 6, 31785 Hameln
„www.wildesheim.de“ ist ein Projekt der Caritas in der Bischofsstadt. Die
Internetseite möchte Kindern mit besonderen Orten vertraut machen und Kinder
über Hobbys wie Projekte miteinander in Kontakt bringen.
Caritasverband für Stadt und Landkreis Hildesheim, Pfaffenstieg 12, 31134
Hildesheim
Gemeinsam malen und so Kunst wie Kontakt erfahren: Das machen regelmäßig 80
Schüler des 2. und 3. Jahrgangs – 40 aus der Förderschule St. Franziskus und 40
aus der Grundschule Söhre. „Eine Begegnung auf Augenhöhe“, fand die Jury.
St.-Franziskus-Schule, Staatlich
anerkannte Förderschule für Geistige Entwicklung, Röderhof 7, 31199 Diekholzen
Sport,
Theater und noch viel mehr Ideen zum Miteinander von Menschen mit und ohne
Behinderungen
Nicht alle Teilnehmer am Elisabeth-Preis 2011 konnten eine Trophäe und
Geldpreise für den ersten, zweiten oder dritten Platz gewinnen. Dennoch sind
ihre Initiativen wichtige Schritte auf einem Weg, den Jesus selbst mit der
Aufforderung an einen Mann mit einer Körperbehinderung so bezeichnet hat: „Steh
auf und stell dich in die Mitte“ (Lk, 6,8).
Das sind sie:
Asyl für Mr. Maggi: Eine nur auf den ersten Blick unscheinbare Initiative
des Altenpflegeheims St. Monika in Hameln. Mr. „Maggi“ (Name geändert) ist ein
Bewohner, Mitte 70 – im Rollstuhl, alkoholkrank, „Maggi-trinkend“ und
ungepflegt. Trotzdem sagten Altenheim und Heimbeirat: „Er gehört zu uns.“ Und
nicht: „Der darf nicht ins Foyer“.
Altenpflegeheim St. Monika, Vizelinstr. 4, 31785 Hameln
Rollstuhlmarathon: Beim Benefizlauf der Heimstatt Röderhof kann für den
guten Zweck mitgefahren werden. Rollifahrer erhalten dabei auch besondere
Unterstützung, wenn sie sie benötigen.
Heimstatt Röderhof, Röderhof 7, 31199
Diekholzen
Stadt, Land, Fluss und Ohne Zucker, mit Sahne: Gleich mit zwei Projekten
bewarb sich das Theaterpädagogische Zentrum Hildesheim. Junge und alte
Menschen, mit und ohne Behinderung, spielen Theater. Sie arbeiten dabei mit
eigenen Stücken.
Theaterpädagogisches Zentrum Hildesheim
e.V., Am Ratsbauhof 1c, 31134 Hildesheim
Turnschuhe: Ein passender Name für zwei Rehasportgruppen, die in den TSV
Heisede integriert sind. Bereits seit 1997 existieren die Turnschuhe. Das Training
ist ganz auf die unterschiedlichen Behinderungen und Bedürfnisse der Teilnehmer
ausgerichtet.
TSV Heisede e.V., Frau Anke Röß, Paul-Lincke-Str. 57, 31157 Sarstedt
Bewegungsspiele mit asiatischen Elementen: Einmal im Landesbildungszentrum
für Hörgeschädigte und einmal in Sarstedt macht „Pro Sport Sarstedt“ dieses
Angebot. Anregungen von Menschen mit Behinderungen werden dabei aufgegriffen.
Pro Sport e.V. Sarstedt, Oerier Str. 41,
31157 Sarstedt
Rolliwandern im Eichsfeld: Das Pauschalangebot des Kolping-Ferienparadieses
Pferdeberg bietet rollstuhlgerechte Wanderstrecken und für die Erholung danach
barrierefreie Appartements an. Die Strecken wurden vom Duderstädter
Behindertenbeauftragten getestet und empfohlen.
Ferienparadies Pferdeberg, Bischof-Janssen-Straße, 37115 Duderstadt
Begleitendes Fahrradfahren: In der Braunschweiger Seniorenwohnanlage St. Hedwig
gibt es ein „Zwei-Sitzer-Fahrrad“. Damit kann alten Menschen, auch mit Demenz,
wieder Lebensfreude vermittelt werden.
Seniorenwohnanlage St. Hedwig gGmbH,
Böcklerstr. 232, 38102 Braunschweig
Chancen schenken für ein behindertes Kind: Im Kindergarten St. Josef wurde
ein stark entwicklungsverzögertes vietnamesisches Mädchen aufgefangen – durch
therapeutische Maßnahmen, aber vor allem durch ehrenamtliche Hilfe.
Kindergarten St. Josef, Andreaswall 17a, 27283 Verden/Aller
Judo auch mit Handicap und Marco, einer von uns!: Zwei Projekte des
Judo-Clubs Godshorn, die Menschen mit und ohne Behinderungen Zugang zum Sport
ermöglichen – und zu Wettkampf und Trainer-Ausbildung.
Judo-Club Godshorn von 1992 e.V., Brinker Straße 27, 30855 Langenhagen
Inklusivgruppe „Turnen mit Handicap“: „Turnsterne“ heißt die Gruppe des TSV
Friesen Hänigsen. Sie nimmt an Turner-Gruppen-Wettkämpfen auf nationaler Ebene
teil und zeigt, dass Inklusion auch beim Turnen möglich ist.
TSV Friesen Hänigsen, Abteilung Turnen, Windmühlenstr. 40, 31311 Uetze OT
Hänigsen
„Ein Glücksfall“: Die Beschäftigung eines erblindeten Mannes in der
Telefonzentrale war für die Caritas Hildesheim ein Lernprozess: Menschen mit
Behinderungen arbeiten selbstständig und bereichern die Betriebsgemeinschaft.
Caritasverband für Stadt und Landkreis Hildesheim, Pfaffenstieg 12, 31134
Hildesheim
„Wir fahren in den Urlaub – ein gutes Gefühl“: Demenzerkrankte und ihre
pflegenden Angehörigen fahren gemeinsam in die Ferien – eine Initiative der
Gerontopsychiatrischen Begegnungs- und Beratungsstelle „Lindenbaum“. Fachkräfte
begleiten und unterstützen dabei.
Gerontopsychiatrische Begegnungs- und Beratungsstelle „Lindenbaum“, Ungerstr.
4, 30451 Hannover
Reliefbroschüren: Texte in Braille wie auch in Großdruck erläutern blinden
und sehbehinderten Menschen die Bronzegüsse im Hildesheimer Mariendom. Diese Initiative
geht zurück auf die Arbeitsstelle Seelsorge für Menschen mit Behinderung im
Bistum Hildesheim.
Arbeitsstelle Seelsorge für Menschen mit Behinderung im Bistum Hildesheim,
Domhof 18-21, 31134 Hildesheim
Tom Franke – ein Läufer zieht durch: Tom Franke ist Bewohner mit geistiger
Behinderung im Johannishof der Caritas-Wohnen Hildesheim – und talentierter
Sportler. Freunde, Bekannte und Mitsportler unterstützen ihn beim Training
seiner Laufgruppe und beim Wettkampf.
Caritas-Wohnen Hildesheim, Johannishof, An der Johanniskirche 3, 31137
Hildesheim
Segeltörn: Nach der Vorbereitung bei einem Segeltörn auf dem Ijsselmeer
nahmen fünf Jugendliche (16 bis 18 Jahre alt) der Tagesstätte St. Raphael mit
geistiger Behinderung sowie motorischen und sprachlichen Handicaps zusammen mit
zwei erfahrenen Seglern an einer Jugendregatta in Heiligenhafen teil.
Tagesstätte St. Raphael, Am Euzenberg 8, 37115 Duderstadt
Arbeitsgemeinschaft: Wöchentlich arbeiten Schülerinnen und Schüler des
Scharnhorst Gymnasiums in Arbeitsgemeinschaften der St.-Franziskus-Schule mit
bis zu acht Schülerinnen und Schülern zusammen. Diese AGs stellen einen
Kontaktpunkt zwischen Menschen mit und ohne Behinderung außerhalb des alltäglichen
Schulunterrichts dar.
St.-Franziskus-Schule, Staatlich anerkannte Förderschule für Geistige
Entwicklung, Röderhof 7, 31199
ParaWestern-Reiten: Seit der Gründung 2008 reiten 15 Menschen mit
Behinderung gemeinsam mit Reittherapeuten im Westernstil beim Verein
„ParaWesternReiter“. Gemeinsam mit Verbänden und Reitställen werden
Westernreitwettbewerbe für Menschen mit Behinderung auf Regelturnieren besucht.
ParaWesternreiter e.V., Herr Birk Frerichs, Levester Str. 8 30890 Barsinghausen