"Wenn Menschen ihre regelmäßigen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen können, ist schnelle Hilfe dringend erforderlich", so Eva Maria Welskop-Deffaa, Sozialvorstand des Deutschen Caritasverbandes. Insolvenz-rechtliche Interventionen müssten dringend begrenzt werden, damit für die Menschen die Probleme nicht eskalieren.
Achim Eng, Caritasdirektor im Bistum Hildesheim, ergänzt: "Wir fordern aktuell die Begrenzung der Speicherdauer von Zahlungsstörungen bei der Schufa auf ein Jahr, um nachträgliche Probleme zu vermeiden." Zu den Forderungen an die Politik im Rahmen ihrer bundesweiten Armutswochen zähle außerdem, Zwangsräumungen weiter auszusetzen und die Grundsicherung so anzupassen, dass SGB-II-Leistungsempfänger nicht wegen zu hoher Mietkosten zum Umzug aufgefordert werden bzw. ihre Miete aus dem Lebensunterhalt bestreiten müssen.
Ulrike Kostka, Vorsitzende der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, sagt: "Die Situation auf dem Wohnungsmarkt war bereits vor Corona sehr angespannt. Wenn sich jetzt durch Corona noch die finanzielle Lebenssituation verändert und zu Mietschulden führt, kann das sogar zum Verlust der Wohnung führen. Da müssen Menschen teilweise nach Jahrzehnten ihre Wohnung verlassen. Sie verlieren außerdem ihr unmittelbares, gewachsenes soziales Umfeld, mal ganz davon abgesehen, dass sie ohnehin kaum eine bezahlbare neue Wohnung finden werden."
Eng: "Vor diesem Hintergrund klingt die Forderung an die Politik, wirksame Anreize für den Erhalt und Bau von bezahlbarem Wohnraum zu bieten, schon fast wie ein Mantra. Das ändert nichts an der Notwendigkeit der Forderung. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist dramatisch, das Volumen an Neubau für Sozialwohnungen absolut unzureichend."
Hintergrund:
- Von rund vier Millionen Sozialwohnungen (1988) gibt es heute nur noch rund 1,2 Millionen. Die Zahl der Haushalte, die aktuell dringend eine Sozialwohnung benötigen, ist auf 6,3 Millionen gestiegen. (Quelle: Pestel-Institut Hannover)
- In den 77 größten deutschen Städten müssen 40 Prozent der Haushalte durchschnittlich 30 Prozent und mehr ihres Nettoeinkommens für die Kaltmiete aufbringen. (Quelle: Hans Böckler Stiftung 2019) Bei kleinen Einkommen droht über dieser Schwelle Verschuldung, etwa in Form unbezahlter Stromrechnungen.
- Die Mieten in Deutschland steigen seit den vergangenen acht Jahren unaufhörlich rasant an, so eine Studie des Forschungsinstitutes empirica. Beispiele: Frankfurt am Main 30 Prozent, Mannheim 37 Prozent, Berlin 41 Prozent, München 44 Prozent.
- Im Jahr 1990 zahlte man bei Erstbezug einer Wohnung im Schnitt etwa 6,79 Euro für den Quadratmeter. Im Jahr 2019 belief sich der Mietpreis auf durchschnittlich ca. 12,21 Euro pro Quadratmeter. Vom Jahr 2018 bis Jahr 2019 stiegen die Mietpreise durchschnittlich um 3,6 Prozent. (Quelle: statista)
Informationen zu den Armutswochen 2020