Man sagt ja "Ruhestand ist Unruhestand". Und doch wundern sich einige der Caritas-Mitarbeitenden, dass ihnen Angela Westermann seit Oktober hin und wieder auf den Fluren der Geschäftsstelle des Caritasverbandes auf dem Hildesheimer Moritzberg begegnet, verschmitzt und freundlich wie immer. Dabei war sie im Sommer als Referentin für Schwangeren- und Familienberatung und für den Sozialdienst kath. Frauen (SkF) nach 40 Jahren in den Ruhestand verabschiedet worden. Aber eine neue Aufgabe hat sie in Teilzeit bis zum Jahresende an die alte Wirkungsstätte am Moritzberger Weg zurückgeführt.
Adoptionsvermittlung des DiCV bis 2000
Im Laufe ihres Berufslebens mit vielen Stationen hat Angela Westermann von 1990 bis 2000 auch Adoptions- und Pflegekinder vermittelt. Nun wurde sie vom Vorstand beauftragt, die Akten der knapp 300 Adoptionsvermittlungen durch die Caritas für die dauerhafte Archivierung in der GZA zu sichten und vorzubereiten. Die GZA ist die Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle, die Behörde der norddeutschen Bundesländer mit Sitz in Hamburg. Adoptionsvermittlungsstellen aus diesem Gebiet, die ihre Tätigkeit einstellen sind verpflichtet, die Vermittlungsakten dorthin zu überstellen.
Seit den sechziger Jahren bis 2000 hat die Caritas im Bistum Hildesheim Kinder, die zur Adoption freigegeben waren, an Paare vermittelt. Dies erfolgte oft in Zusammenarbeit mit katholischen Mutter-Kind-Einrichtungen, Kinder- und Jugendheimen, dem SkF und den Schwangerschaftsberatungsstellen und immer mit den zuständigen Jugendämtern. 2000 wurde dann der Adoptions- und Pflegekinderdienst im DiCV geschlossen. Bis Juli 2024 hatten abwechselnd die Fachkräfte Brigitte Schnitzler und Angela Westermann die "nachgehende Adoptionsbegleitung" sichergestellt.
Wurzelsuche mit Begleitung
"Da haben wir die Adoptierten bei der Suche nach ihren leiblichen Eltern begleitet, manchmal bis hin zum ersten Wiedersehen," sagt Angela Westermann. Das Adoptionsvermittlungsgesetz sieht vor, dass Adoptierte das Recht auf Daten- und Akteneinsicht haben, um in Begleitung einer Fachkraft mehr über ihre Herkunft zu erfahren. Daher lagerten die rund 100 Akten mit den abgeschlossenen Vermittlungen bis jetzt gut gesichert in zwei Stahlschränken im Keller am Moritzberg.
"Ich schaue nun nach Chronologie und Vollständigkeit sowie nach Beschädigungen und vergleiche jeden Vermittlungsvorgang mit den Eintragungen in den Adoptionslistenbüchern", beschreibt Angela Westermann ihre Arbeit. "Ich kann sagen, auch die früheren Kolleginnen haben sorgfältig und gewissenhaft die Adoptionsvermittlungen durchgeführt und die Akten geführt. An manchen Eintragungen ist natürlich der Zeitgeist zu erkennen". In einer Art Rechnungsbuch sind die Fälle systematisch aufgeführt und nummeriert - jede Nummer ein Kinderschicksal. Wenn sie auf Fälle stößt, die sie selbst betreut hat, lässt sie das nicht kalt: "Da frage ich mich manchmal, ob Kinder und Eltern miteinander glücklich geworden sind und hoffe es sehr. Eine Adoption soll ja immer dem Wohl des Kindes dienen."
Zum Ende des Jahres werden die Akten abgeholt und unter strenger Einhaltung des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte analog nach Hamburg gebracht. Auch dort wird die "nachgehende Adoptionsvermittlung" auf Anfrage fortgesetzt.
Wertschätzende Aufklärung über Herkunft
Behörden und Psycholog:innen empfehlen, adoptierte Kinder immer über ihre Herkunft aufzuklären: schrittweise, altersentsprechend, wertschätzend und zugewandt. Ab dem 16. Lebensjahr haben sie das Recht, Informationen über ihre leiblichen Eltern zu erhalten. Angela Westermann rät, die Adoptiveltern nach der Abstammungsurkunde und der damaligen Vermittlungsstelle (Jugendamt oder Wohlfahrtsverband) zu fragen. Diese sind zum Aufbewahren der Adoptionsakten 100 Jahre ab Geburt und zur Beratung und Begleitung Adoptierter verpflichtet. In Trägerschaft von Caritas und SkF gibt es bundesweit mehrere Adoptions- und Pflegekinderdienste, in Niedersachsen z.B. beim SkF Osnabrück.
Mehr Infos zum Thema DiCV und Adoptionsvermittlungsgesetz findet sich auf der DiCV-unter der Rubrik Transparenz. Hier der Auszug:
IV. Adoptionsvermittlung
Auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften (§ 4a, Abs.2 AdVermiG) wird in Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle der norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein (GZA) mit Sitz in Hamburg das Archiv der Adoptionsvermittlungsstelle des Caritasverbandes für die Diözese Hildesheim e.V. zum Ende des Jahres 2024 fach- und sachgerecht aufgelöst und an die GZA überstellt.
Alle Akten bis zum Jahr 2000 (Jahr der Beendigung der Vermittlungstätigkeit) werden ab 01.01.2025 bei der GZA datensicher und über einen Zeitraum von 100 Jahren nach Geburt der zur Adoption vermittelten Person verwahrt.
Für Auskünfte zu den Adoptionsakten können sich Betroffene direkt an die Behörde wenden:
Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle
Hamburger Straße 47
22083 Hamburg
Tel. (040) 42863-5205
E-Mail: gza@soziales.hamburg.de
Web: https://www.hamburg.de/gza/